„…und taufe Dich auf den Namen…..!“

Gedanken zur Namensgebung schwimmender Einheiten und landfester Standorte der Marine in Gegenwart und Zukunft.
Da steht sie nun bereit und wartet auf ihr hoffentlich würdiges Ende: Die traditionelle Sektflasche zur Taufe der Fregatte „Nordrhein-Westfalen“ F223 am 16.4.2015 in Hamburg. Erstmalig in der Geschichte der Marine wurde der Name des bevölkerungsreichsten Bundeslandes für ein Schiff der Marine ausgewählt. Dabei reiht sich die „NRW“ in die Fregatten-Klasse 125 ein, welche ausnahmslos die Namen der Bundesländer „mit Bindestrich“ tragen (Baden-Württemberg F222, Nordrhein-Westfalen F223, Sachsen-Anhalt F224 und Rheinland-Pfalz F225).
Blickt man zurück in die nunmehr 66-jährige Geschichte der Bundeswehr und ihrer Marine, ergeben sich interessante Aspekte bei der Namensgebung der Boote und Schiffe. Dies gilt besonders dann, wenn es um die Auswahl von Personen als Namenspaten geht. Die im Aufbau befindliche „Bundesmarine“ war als politisch fester Bestandteil der NATO wegen ihrer geostrategischen Lage von großer Bedeutung für das westliche Bündnis. Somit gab es wegen der noch unzureichenden Baukapazitäten große Bedarfe, die von den Bündnispartnern durch Kauf,- und Leihoptionen gedeckt werden konnten.
Unverfängliche Natur und alte – "Helden"?
Es entstand ein „bunter Strauß“ von Schiffsbeständen aus Großbritannien, Frankreich und den USA, die unter der Bundesdienstflagge der Seestreitkräfte fuhren. Namen wie „Hipper“, „Scharnhorst“, „Spee“, „Brommy“, „Gneisenau“ und „Raule“ zierten die Mützenbänder ihrer Besatzungsangehörigen. Weniger spektakulär wirkten die Namen „Hummel“, „Biene“, „Brummer“, „Wespe“ und „Bremse“. Zusammen bildeten die von Frankreich zurück gegebenen Minensuchboote des Typs 1935 der Kriegsmarine das „Insektengeschwader“. Für weitere, kleinere Einheiten wurden die Namen von Gestirnen und Tierkreiszeichen für Minenräumboote (z.B. „Skorpion“ und „Saturn“), sowie Vogelnamen für Schnellboote (z.B. „Silbermöwe“ und „Seeschwalbe“) ausgewählt. Die noch mit Kohle befeuerten Minensuchboote des Typs 1940 und 1943 erhielten die Namen „Seehund“, „Seeigel“, „Seestern“, „Seeschlange“ und „Seepferd“ und bildeten das 2. Minensuchgeschwader.
So weit so gut. Heikel wird es aus heutiger Sicht bei der Namensgebung der drei in den USA beauftragten und dort gebauten Lenkwaffen-Zerstörer der „Charles F. Adams-Klasse“. Sie wurden zwischen 1967 und 1969 auf die Namen „Lütjens“ D185, „Mölders“ D186 und „Rommel“ D187 getauft und nach ihrer Übernahme in das 1. Zerstörergeschwader in Kiel wegen ihrer verhältnismäßig modernen und entsprechend kostspieligen Ausrüstung als „die drei heiligen Kühe“ benannt.
Aus heutiger Sicht muss es verwundern, dass sich weder in der Bundesrepublik noch im Ausland eine wirkungsvolle Gegenposition entwickelt hat. Legt man den aktuellen und historisch folgerichtigen Traditionserlass der Bundeswehr zugrunde, wirken die drei Namenspaten aus der Ära des Nationalsozialismus auch bereits in den Jahren 1967 bis 1969 geradezu völlig aus der Zeit gefallen. Die neue und richtungsweisende Einordnung der Traditionspflege in der Bundeswehr sieht die Möglichkeit vor, Menschen ins Erinnerungsbewusstsein zu holen, die sich aller Gefahren und Risiken zuwider kritisch und ablehnend gegenüber einem menschenverachtenden Regime positioniert haben.
NS-Kritiker und Verfassungsgeschichte
Ein gutes Beispiel hierfür ist Oberleutnant zur See Oskar Kusch. Der U-Boot-Kommandant, der ausgiebig mit seinen Offizieren über den Nationalsozialismus diskutierte, wurde wegen „Fortgesetzter Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode verurteilt und am 18. Mai 1944 in Kiel hingerichtet. Den vielen Marineangehörigen als „Scheermole“ bekannte Pier im Marinestützpunkt Kiel-Wik wurde ihm zu Ehren in „Oskar-Kusch-Mole“ umbenannt.
Natürlich bleibt die Namenswahl zum Beispiel von Städten, Flüssen, und Bundesländern für Schiffe und Boote zeitlos-unkritisch. Als wiederum historisch beispielgebend soll an dieser Stelle die Namensgebung der drei Einsatzgruppenversorger „Berlin“ A1411, „Frankfurt am Main“ A1412 und „Bonn“ A1413 genannt werden, welche ihre verfassungsgebende Tradition gemeinsam haben.
Wäre es nunmehr nicht auch an der Zeit, der Bundeswehr mit ihrer jahrzehntelangen, eigenen Tradition, die mit der Verankerung im Grundgesetz und ihrer parlamentarischen Verortung fest verbunden ist, zu einer stärkeren Identifikation zu verhelfen? Nach Überwindung von mehreren, gescheiterten Gesellschaftssystemen und deren katastrophalen Konsequenzen sowie einer friedlichen Vereinigung vor über 30 Jahren kann der bestehende deutsche Staat als Erfolgsmodell gelten.
Positive Erinnerungskultur schaffen - Väter und Mütter der Demokratie wertschätzen
Andere Nationen wie zum Beispiel die Vereinigten Staaten von Amerika können wegen ihrer ungebrochenen, demokratischen Tradition seit ihrer Gründung im Jahr 1776 bei der Bewahrung der Namen verdienter Angehöriger der Streitkräfte auf eine beachtliche Auswahl aus allen Dienstgradgruppen zurückgreifen. Beispielhaft sei hier die Entscheidung erwähnt, den vierten Flugzeugträger der Gerald R. Ford-Klasse auf den Namen „Doris Miller“ zu taufen. Miller hat sich am 7. Dezember 1941 als Besatzungsangehöriger des Schlachtschiffes „West Virginia“ (BB-48) während des japanischen Angriffs auf den Flottenstützpunkt Pearl Harbor durch sein mutiges und selbstloses Verhalten bewährt und wurde dafür mit dem „Navy Cross“ ausgezeichnet. Zuvor wurde bereits ein Geleitzerstörer der „Knox-Klasse“, die USS Miller DE-1091 (ab 1975 FF-1091) nach dem Cook Third Class Doris Miller benannt.
In der vergleichsweise jungen Bundesrepublik wäre der Beginn einer kontinuierlichen und positiven Erinnerungskultur an eben diese jüngere Geschichte Deutschlands wünschenswert. Ein deutliches Symbol und Zeichen der Wertschätzung für die deren Mitbegründer wäre eine Würdigung durch die Verwendung ihrer Namen für die nächsten zulaufenden Schiffe (Fregatten Klasse 126 & 127, Tanker Klasse 707). Beispielhaft wären hier Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer, Theodor Heuss, Ernst Reuter oder Richard von Weizäcker zu nennen.
Eine weitere, beachtliche Auswahl an Namen böte die Liste der 61 „Väter“ und vier „Mütter“ desGrundgesetzes. Die Beantwortung der Fragen einer nachhaltigen und zukunftsweisenden Sinnstiftung und Wertebindung der Bundeswehr wurde bereits mit der Umbenennung des Marinestützpunktes Kiel-Wik (vormals „Tirpitzhafen“) im April dieses Jahres eingeleitet. Es wäre nur konsequent und folgerichtig, dieser Entwicklung mit der Namensgebung künftiger schwimmender Einheiten und Landdienststellen der Marine weiteren Vortrieb zu verschaffen.
Christian Bauer